G41 und H9: Arbeitsmedizinische Untersuchungen
für Höhenarbeiten, Arbeiten mit Absturzgefahr, gefährliche Baumarbeiten u.s.w.
Die Untersuchungen G41 und H9 gehörten bis Ende 2013 zu den freiwilligen Angebotsuntersuchungen im Bereich der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Heute sind "Arbeiten mit Absturzgefahr" im Katalog der Tätigkeiten der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) jedoch nicht mehr aufgeführt. Dennoch sind sie Stand der Technik, wenn es im Gesundheitschecks zur Feststellung der gesundheitlichen und geistigen Tauglichkeit einer Person für Arbeiten in absturzgefährdeten Bereichen geht. Diese Untersuchung betreffen demnach z. B. Anwender PSA gegen Absturz sowie Anwender der Arbeitsverfahren Seilzugangstechnik (Industriekletterer) und Seilklettertechnik (Baumkletterer).
Eignungsuntersuchung für Arbeiten unter Absturzgefahr ("G41")
Ist eine Untersuchung nach G41 Pflicht?
"Arbeiten mit Absturzgefahr" sind seit Ende 2013 im Katalog der Tätigkeiten mit verpflichtenden bzw. freiwilligen Vorsorgeuntersuchungen der ArbMedVV nicht mehr aufgeführt. Dieser Umstand hat nach unserer Erfahrung in der Praxis für einige Rechtsunsicherheit gesorgt. Die Tatsache, dass es die G41-Untersuchung heute nicht mehr als Vorsorgeuntersuchung gibt, sollte im Bereich der Höhenarbeit nicht dazu führen, dass komplett auf die Feststellung der Eignung des eingesetzten Personal mittels einer arbeitsmedizinischen Untersuchung verzichtet wird.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Arbeiten in der Höhe besondere Risiken in sich bergen. Gemäß Arbeitsschutzgesetz und Unfallverhütungsvorschrift gehört die Beurteilung der Arbeitsbedingungen und die Ableitung von Arbeitsschutzmaßnahmen zu den Grundpflichten eines Unternehmers (§ 3 GUV-V A1, § 5 ArbSchG). Bei der Übertragung von Aufgaben auf Beschäftigte ist zudem auch deren Befähigung zu prüfen (§ 7 ArbSchG). Bei Absturzgefährdung und der grundsätzlichen Möglichkeit eines bewegungslosen Hängens im Auffanggurt (Notfallsituation Orthostatischer Schock / Hängetrauma) ist wohl ohne Zweifel davon auszugehen, dass neben der fachlichen Eignung (Unterweisung) dabei auch der gesundheitliche Aspekt zu berücksichtigen ist. Nicht zuletzt darf bei diesen Überlegungen nicht vergessen werden, dass die Handlungsfähigkeit des an hochgelegenen Arbeitsplätzen eingesetzten Personals in Notfall- bzw. Rettungsssituationen nicht nur das eigene Leben, sondern auch die Unversehrtheit der Kolleginnen und Kollegen gewährleisten soll. Insofern ist eine Untersuchung nach dem Standard G41 als Nachweis der körperlichen Eignung für Arbeiten mit Absturzgefahr anzusehen, deren Notwendigkeit sich aus einer gewissenhaften Gefährdungsbeurteilung ergibt. Das Kreuz bei "keine gesundheitlichen Bedenken" auf der Bescheinigung eines Betriebsarztes dient nach unserem Dafürhalten einerseits der Unfallprävention. Andererseits schafft es auch Rechtssicherheit für die Verantwortungsträger im Unternehmen, falls einmal die Frage aufkommt, wer anhand welcher Kriterien die Eignung des zur Höhenarbeit eingesetzten Personals festgestellt hat.
Für
Industriekletterer stellen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit "Gefährdung von Beschäftigten durch Absturz bei der Verwendung von Zugangs- und Positionierungsverfahren unter Zuhilfenahme von Seilen" (TRBS 2121 Teil 3) klar, dass diese Arbeiten nur von Personen ausgeführt werden dürfen, die dazu fachlich und auch körperlich geeignet sind.
Wer braucht eine G41?
Eine Eignungsuntersuchung nach G41 ist für alle Personen zu empfehlen, die Arbeiten mit Absturzgefahr durchführen wollen. Außerdem ist diese Untersuchung auch eine Voraussetzung für die Teilnahme z.B. an folgenden Ausbildungen im Berufskletterzentrum:
Wer darf eine arbeitsmedizinische Untersuchung durchführen?
Normale Hausärzte dürfen diese Untersuchung in der Regel nicht durchführen. Für diese Untersuchungen gibt es speziell zugelassene Ärzte, Sie müssen sich an einen Betriebsarzt bzw. Facharzt für Arbeitsmedizin wenden.
Umfang der G41 Untersuchung
Zum Untersuchungsumfang gehören neben der allgemeinen Anamnese (innere Organe, neurologische Erkrankungen, Medikamente, Suchtmittel...) auch EKG, Sehtest, Urinstatus und Blutbild. Eine besondere Aufmerksamkeit liegt auch auf Gleichgewichtsstörungen sowie Störungen des Bewegungsapparates. Ab dem 40. Lebensjahr kommt noch ein Belastungs-EKG (Fahrradergometrie) hinzu. Die G41 dauert ca. 45 Minuten zzgl. ggf. 30 Minuten für die Fahrrad-Ergometrie.
Wie oft muss eine G41 Eignungsuntersuchung erneuert werden?
Der untersuchende Arzt sollte auf dem Untersuchungsbeleg auch das Datum der nächsten Untersuchung festhalten. Allgemein anerkannte Empfehlungen für eine Wiederholung ist:
- bis zum 49. Lebensjahr alle 3 Jahre
- ab dem 50. Lebensjahr alle 1,5 Jahre
Eignungsuntersuchung für Baumarbeiten mit Absturzgefahr ("G41 + G25")
Auch im Bereich der gefährlichen Baumarbeiten dürfen nur Beschäftigte eingesetzt werden, bei denen ärztlich festgestellt ist, dass keine körperlichen oder geistigen Mängel vorliegen, durch die sie sich selbst oder andere Versicherte besonderen Gefahren aussetzen (UVV VSG 4.2). Bis zur Neuordnung der arbeitsmedizinischen Vorsorge war hier der Untersuchungsgrundsatz "H9" das Maß der Dinge. Heute empfohlene Grundlagen zur Durchführung einer Eignungsuntersuchung sind die Grundsätze G41 "Arbeiten mit Absturzgefahr" sowie auch die G25 "Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten" beim Einsatz motorbetriebener Geräte.
Rechtliche Grundlagen der arbeitsmedizinischen Vorsorge
Das deutsche Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ist eine Umsetzung von EU-Richtlinien zum Arbeitsschutz. Es richtet sich sowohl an Arbeitgeber, als auch an Beschäftigte und soll durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit sichern und verbessern. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die meisten Pflichten aus diesem Gesetz für den Arbeitgeber ergeben. Diese haben Maßnahmen zum Arbeitsschutz grundsätzlich so zu gestalten, dass "eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird" (§4). Wesentliche Arbeitgeberpflichten sind z.B. (Auszug):
- Beurteilung der Arbeitsbedingungen: Durch eine Gefährdungsbeurteilung ist zu ermitteln, welche Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich sind (§5). Dazu sind beispielsweise Gefährdungen zu beurteilen, die sich aus der Gestaltung des Arbeitsplatzes, aus Arbeitsverfahren, aus dem Umgang mit Arbeitsmitteln und -stoffen, aus physikalischen, chemischen und biologischen Einwirkungen oder auch aus unzureichender Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten ergeben.
- Dokumentation der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung sowie der daraus resultierenden Arbeitsschutzmaßnahmen (§6)
- Überprüfung der Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit und Anpassung an sich ändernde Gegebenheiten (§3)
- Unterweisung der Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz für den jeweiligen Arbeitsplatz und Aufgabenbereich (§12): Diese hat "ausreichend und angemessen" vor Aufnahme der Tätigkeit zu erfolgen und muss erforderlichenfalls regelmäßig wiederholt werden.
- Organisation von Notfallmaßnahmen / Erste Hilfe (§10)
- Arbeitsmedizinische Vorsorge (§11)
- Aus dem §18 des Arbeitsschutzgesetzes ergibt sich weiterhin die Möglichkeit zum Erlass von Rechtsverordnungen. Das Thema der arbeitsmedizinischen Vorsorge wird in der "Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge" (ArbMedVV) konkretisiert. Hier wird geregelt, für welche Art von Tätigkeiten regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen zwingend erforderlich sind ("Pflichtuntersuchung" z.B. bei Gefahrstoffen, Hitze, Kälte, Lärm...). Weiterhin werden Tätigkeiten aufgeführt, für die der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern eine freiwillige Vorsorgeuntersuchung anbieten muss ("Angebotsuntersuchung").